Hal Busse - Das Bleibende Ist Das Flüchtige, Installationsansicht, Galerie Volker Diehl, Berlin, 2021 © Marcus Schneider
Hal Busse
Das Bleibende ist das Flüchtige
kuratiert von Nils Emmerichs
Der russische Schriftsteller Viktor Šklovskij (1893 - 1984) hat einmal bemerkt:,,Die Kunst ist ein Mittel, das Machen einer Sache zu erleben”.[1] Dies trifft vollkommen auf die Kunst von HAL Busse zu, denn ihr gesamtes Werk verheimlicht nicht ihren Gestaltungswillen und weist dabei auf ein unauflösbares Anderes hin. Sie hat das, was wir Individualität nennen, mit einer Perspektive verbunden, die ihre Kunst erst ermöglicht.
Busse nutzt ihre subjektive Wahrnehmung als ein Absorbieren und darauffolgend ein Transportieren von Eindrücken. Als Künstlerin war sie immer auf sich allein gestellt und musste ihre Bildwelten selbst (er-)finden. Die Außenwelt und die Bildwelt bleiben anschaulich aufeinander bezogen und sind somit Paralleluniversen, die nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten existieren, ohne sich zu berühren. Mit ihren stark farbigen Kraftfeldern hält sie den Blick des Betrachters unablässig in Bewegung und vermittelt in ihrem potenziell unendlichen Kontinuum aus Harmonien, Kontrasten und Bezügen eine Vorstellung, die sie als ein dynamisches System sich selbst erhaltener Kräfte versteht. Diese Werke sind existentielle und unabweisbare Formulierungen an das Ungeahnte, Verborgene, triebhafte Eigenleben des Erfassten.
Gleichwohl arbeitet die Künstlerin kontinuierlich an der Intensivierung dieses Spannungsfeldes. In ihrem ausgeprägten Subjektivismus liegt die Haftbarmachung der Wirklichkeit. Ihre künstlerische Praxis ist aber nicht nur Selbstentdeckung, sondern wird zum Akt der Selbstbehauptung. HAL Busse konzipiert eine ganz eigene Perspektive, die sich zugleich intim und distanziert zu ihrer eigenen Person verhält. Fortlaufend bricht und zerlegt Busse ihr Kontinuum. Auf diese Weise skizziert die Künstlerin einen Zugang zu Ihrer Wirklichkeit. Es scheint, als würde ihre Kunst um eine nicht auffindbare Anschauung kreisen.
Ihre Kunst lebt aus der Spannung dieser Beziehungen, eine Neugier die sie in einen eigenen Gestus übersetzt. Es geht Busse nicht darum, ihre Inspirationsquellen als Bildgleichheit, als Identität im intellektuellen Sinne, oder Illustration zu behandeln, sondern sie als Lebensströme ohne Substanzverlust zu übertragen.
HAL Busses Bildwelten sind auf faszinierende Weise paradox: Zeichen und Motive sind erkennbar, doch was sie aufzeigen möchten, bleibt häufig bewusst offen. Es gibt Spuren, denen wir folgen, Referenzen die wir lesen, aber am Ende ist es der wachsame künstlerische Blick, der uns über die Wirklichkeit und Möglichkeiten von Kunst Machen nachdenken lässt. Ihre Werke eröffnen neue Möglichkeiten, denn hier wird ein großes Interesse für das scheinbar Vertraute im Neuen sichtbar.
[1] Viktor Šklovskij, Kunst als Verfahren , in: J. Striedter (Hg.), Texte der Russischen Formalisten, Bd. I, München 1969, S.15