Das Atelier von Valentina Torrado hat ein Fenster, und unter diesem Fenster fließt behäbig und dunkel die Spree. Der Fluss stellt für die Berliner Künstlerin mit uruguayischen Wurzeln eine visuelle und emotionale Verbindung in das wasserreiche Land ihrer Herkunft dar. Nicht nur in Torrados täglichem Leben soll das schimmernde Nass präsent sein, auch durch ihre Arbeiten fließt es immer wieder (wenn auch nicht immer). Oft ist die Bildfläche quasi Wasseroberfläche, monochrom gehalten in Neonfarben. Die Malerei ist das vorherrschende Medium der 33jährigen, dicht wie ihr Lieblingselement nimmt ihre Arbeit dabei die unterschiedlichsten Aggregatzustände an: Collagen, Installationen, Foto- und Videoarbeiten, auch mit einem Tanztheater hat sie bereits zusammengearbeitet. In ihren Arbeiten schafft Torrado stets trefflich eine Verbindung zwischen Raum und Wahrnehmung, gleichzeitig schafft sie es, eine Melange aus melancholischen und absurden Klängen entstehen zu lassen.
So war es auch in einer großformatigen Videoinstallation im Berliner Projektraum Lehrter 17 zu sehen, den Torrado im November 2014 gemeinsam mit der Freundin und Künstlerkollegin Irina Raffo bespielte. In zwölf bewegten Stilleben setzten die beiden Künstlerinnen das lichtdurchflutete, ländliche Uruguay dem urbanen, nächtlichen Berliner Stadtpanorama hinter den großen Fenstern entgegen.
Neben diesen installativen und multimedialen Medien wählte Torrado ein ungewöhnlich stilles und doch nicht minder beredtes zweites Medium: Sie hat an der Bauhaus Universität Weimar promoviert zum Thema des Abjekten in der Kunst.
Doch was ist es, das Abjekte? Das Unangenehme, Eklige, Fiese und Widerliche, das seine schleimigen Spuren durch die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst zieht. Mit analytischer Leichtigkeit zählt Torrado auf 85 Seiten die wichtigsten Nutzer dieser Handlungsform auf und setzt ihnen in der zweiten Hälfte des Buches ein eigenes Kunstprojekt entgegen, dass das Abjekte wiederum in der Gesellschaft auffängt und abmildert. Anhand der widerborstigen und der fürsorglichen Kunst navigiert sie durch die Fluten der hyper- und postmodernen Kunstbegriffe und markiert damit das gesamte künstlerische Weltmeer als mögliches Handlungsfeld. So resümiert sie, dass das Abjekte als Ausdrucksmittel zum Konsumprodukt wird. Der zeitgenössische Künstler präsentiert sich als Produkt dieser Gesellschaft als Glamourkünstler: individualistisch, eigensinnig, hedonistisch und hyper-bewusst. Durch die Arbeit mit dem Abjekten in der Kunst lässt sich somit nicht nur ein signifikanter Wandel der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft beobachten, sondern auch eine Negierung des Provokationspotentials in der Kunst selbst.
Wenn Valentina Torrado am 30. Januar im Diehl CUBE in Berlin ihr kürzlich im Velbrück Verlag erschienenes Buch präsentiert, dann wird es aber zunächst einmal wieder ganz visuell das Meer sein, das den Raum bestimmt: Ihre jüngste Serie, die „Mares Negros“, sind großformatige, monochrome Malereien in Schwarztönen.