Thomas Florschuetz - Elephants Breath, Installationsansicht, Galerie Volker Diehl, Berlin, 2021 © Marcus Schneider
Thomas Florschuetz zählt heute zu den herausragenden international renommierten Fotografen aus Deutschland. Und dies, obwohl er nicht aus der Kaderschmiede der deutschen Fotografie, der Klasse Bernd und Hilla Becher an der Kunstakademie Düsseldorf kommt. Michael Schmidt vergleichbar hat sich der 1957 in Zwickau geborene und in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, aufgewachsene Thomas Florschuetz sein fotografisches Metier als Autodidakt erkämpft. Im Ost-Berlin der 1980er Jahre entfaltete Florschuetz in der subkulturellen Gegenwelt der Kunst- und Literaturszene in der Hauptstadt der DDR seine fotografische Handschrift, auf die auch Kuratoren im Westen aufmerksam wurden. So wurde ihm 1987 überraschend der erste Preis für junge europäische Fotografie in Frankfurt am Main zuerkannt – ein Datum, das zum Startpunkt seiner künstlerischen Karriere im Westen wurde und noch vor dem Mauerfall zu seiner Ausreise aus der DDR führte.
Das Format der thematischen Werkserie ist von entscheidender Bedeutung für die fotografische Praxis von Thomas Florschuetz. Beginnend mit Körperfotografien, vornehmlich der sezierenden und collagierenden Betrachtung des eigenen Körpers, am Anfang seiner Karriere, wandte er sich einer Vielzahl unterschiedlicher Themen zu, die er fotografisch in den Fokus nahm. Seit Jahren ist die Architektur eines der zentralen Sujets seines Werkes. So war er mit der Kamera beispielsweise auf den Spuren Mies van der Rohes und setzte dessen Architekturen in das Licht seiner Fotografie, beleuchtete die künstliche Stadt Brasilia Oscar Niemeyers oder bewahrte Eindrücke der Ruine des Palastes der Republik in seinen fotografischen Bildern. Dabei entsteht das Phänogramm einer Architektur bei Florschuetz zumeist aus der Fokussierung des Details – aus dem pars pro toto entfaltet diese Fotografie ihre Poesie.
Im Herbst des Jahres 2016 fotografierte Thomas Florschuetz im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem und belichtete so gewissermaßen die letzten Stunden eines der bedeutendsten Museumsorte Berlins bevor dort die Lichter endgültig ausgingen. Denn im Zuge der Entscheidung, die ethnologischen Sammlungen zukünftig im Humboldt Forum im wieder errichteten Stadtschloss zu zeigen, schloss der Dahlemer Standort seine Tore am 9. Januar 2017. Die von Florschuetz entwickelte Werkserie ist bislang nie öffentlich gezeigt worden und wird mit exemplarischen Arbeiten jetzt erstmals in der Galerie Diehl ausgestellt.
Die zumeist großformatigen Fotografien zeigen nicht nur die musealen Landschaften einer der bedeutendsten ethnologischen Sammlungen der Welt, dies auch – und sie stellen somit gewissermaßen noch einmal posthum die Frage, ob die Dahlemer Museumswelt nicht erhaltenswert gewesen wäre – aber vornehmlich eröffnen diese Bilder in der Ablichtung der realen Architektur neue Räume, die sich dem Auge in der Fotografie auf seltsame Weise eröffnen. Es werden Schichten einer geheimnisvollen, gewissermaßen verschleierten Wirklichkeit sichtbar, die sich hinter den Oberflächen des Wirklichen auftun. So geben diese Fotografien realer Architektur immer auch das Bild von Gedankenräumen, in denen nicht zuletzt die Debatten unserer Zeit zur Rechtmäßigkeit des Besitzes dieser ethnologischen Werke einen tiefgründigen Spiegel finden und die Frage stellen, was denn eigentlich Zivilisation, was denn Kultur sei.
Carsten Ahrens