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Ausstellung
SERGEY BRATKOV
HEARTBREAK
DATUM 10. Dec. 2022 - 09. Feb. 2023 Ort DIEHL ERÖFFNUNG 09. Dec. 2022 19:00

Sergey Bratkov - Heartbreak, Installationsansicht, Galerie Volker Diehl, Berlin, 2022 © Marcus Schneider

Sergey Bratkov – HEARTBREAK

 

Sergey Bratkov, 1960 im vornehmlich Russisch-sprachigen Charkiv in der Ukraine geboren, zählt seit langem zu den herausragenden Künstlern seines Landes. Nach frühen  Ausstellungen in den Underground-Galerien in Charkiv, Kiew und Moskau zeigte Bratkov den immer wieder überraschenden Facettenreichtum seines Werkes auch in bedeutenden Kunstinstitutionen im Westen Europas, so im Fotomuseum Winterthur, den Deichtorhallen in Hamburg, dem S.M.A.K. in Gent oder dem Baltic Centre for Contemporary Art in Gateshead. 2007 vertrat er die Ukraine auf der Biennale di Venezia.

 

Künstlerisch entwickelte sich Bratkov im Sog der seit den 1970er Jahren in seiner Heimatstadt agierenden Charkiv School of Photography, die auch international als avantgardistische Bastion einer gegen die Kunstdoktrin des Sowjetstaats gerichteten künstlerischen Bewegung hohe Aufmerksamkeit gewann. Ein radikal unverstellter Blick auf die Realität wurde zum Signum des Widerstandsgeistes dieser in immer neuen Formationen auftretenden Künstlergruppe, die im Tabubruch die Konventionen der sowjetischen und post-sowjetischen Gesellschaften attackierte. 1987 wurde Bratkov Mitglied der Gosprom Group, einer der vielen Künstlergruppen auf Zeit, die sich innerhalb der Charkiv School of Photography zusammenfanden. Erste internationale Aufmerksamkeit erregte Sergey Bratkov innerhalb der Immediate Reaction Group, die er von 1994–1997 zusammen mit Boris Mikhailov, Vita Mikhailow und Sergey Solonsky bildete. In einer Reihe von Performances und Photoserien trieb die Gruppe die Tabubrüche ihrer Bilderwelt gegen die nicht endende postsowjetische Realität auf die Spitze. Insbesondere in der körperlichen Radikalität der Aktionen der Gruppe schienen Ansätze des Wiener Aktionismus wieder auf.

 

Sergey Bratkov entfaltet seine künstlerische Arbeit in den Medien der Photographie, des Video und der Raum-Installation.  Mit den Methoden der Montage, Collage und der bizarren Inszenierung setzt er vermeintlich surreale Bildwelten in Szene, die jedoch tiefgründig von der Existenz in den heute so unterschiedlichen postsowjetischen Gesellschaften in der Ukraine und in Russland erzählen.

 

HEARTBREAK ist der Titel, den Sergey Bratkov seiner zweiten Ausstellung in der Galerie Diehl in Berlin in diesen grausamen Zeiten gegeben hat. Der Titel ist abgeleitet von einem eher unscheinbaren kleinformatigen Werk, Heart Hole, 2022, das die zersplitterten Wunden eines zerschossenes Spiegels zeigt und zu einem der Herzstücke der Ausstellung wird.

 

Sergey Bratkovs Ausstellung ist ein sehr persönlicher Kommentar seiner eigenen und der allgemeinen Situation im Zustand des Krieges. Mit Werken aus den vergangenen 30 Jahren hat der Künstler seinen Blick auf die aktuelle Gegenwart inszeniert. So erscheinen Bilder der Kritik am postsowjetischen System, Bilder der Erinnerung an die Heimat in Charkiv und Bilder, die metaphorisch die unfassbare Grausamkeit des aktuellen Krieges umkreisen. Wir sehen eine vielschichtige künstlerische Existenz, die sich in den Zerklüftungen der Realität des Krieges, als Russisch sprechender Ukrainer, der seit den 2000er Jahren seinen Lebensmittelpunkt in Moskau fand und nunmehr auf Zeit in Berlin lebt,  permanent neu finden muss, kreisend immer um den Kern des tief wurzelnden Oppositionsgeistes, der sich in den Werken Bratkovs von Beginn an Bahn bricht. Mit HEARTBREAK ist Sergey Bratkov ein sublimer Gesang auf die zersplitterte Existenz in den Zeiten des Krieges gelungen.

 

Carsten Ahrens