Zur Schau: 24. November 2015 - 23. Januar 2016
Bitte beachten Sie:
Rolf-Gunter Dienst und John Hilliard bei Galerie Max Hetzler
Eröffnung: 21.11.2015, 18:00 - 20:00 Uhr
Es geht um Farbe bei Rolf-Gunter Dienst (*1942). Der Künstler malt sein schleifenartiges Kürzel auf horizontalen Bahnen unendlich auf die Bildfläche. Ein differenziertes, farbiges All-over entsteht, das vom Betrachter eine „intensive Sehbereitschaft“ erfordert, denn sonst lassen sich die Nuancen der Farbschichten nicht erkennen. Manchmal hilft der Blick durch die Kamera des Smartphones, der ein genaueres Sehen ermöglicht.
Das Dienst’sche Kürzel hat keinen Inhalt, sondern bestimmt die Struktur des Bildes, die sich in der Farbfläche wieder auflöst. Es handelt sich um die Auslöschung par excellence. Denn je mehr Farbschichten der Künstler aufträgt, desto mehr werden wieder ausgelöscht. Die Entstehungsweise erinnert an die Entwicklung eines Textes, bei dem die finale Fassung aus immer wieder überschriebenen Vorgängerversionen besteht. Für seine Gemälde lässt sich Rolf-Gunter Dienst von seiner Umgebung inspirieren, von Literatur, von klassischer Musik, von der grünen Landschaft in Malaysia. Dabei interessiert er sich vor allem für die Struktur der Dinge. Dienst verwendet keine direkten Vorlagen für seine Gemälde. Den Gegenstand hat er aus seiner Kunst verbannt. Er illustriert nicht. Er malt auch keine Landschaften! In Rolf-Gunter Diensts Werken ist die Farbe selbst Bildgegenstand. Seine Bilder verweigern sich jeglichen Referenzen zur äußeren Welt ganz im Sinne der Autonomie der Farbe in der abstrakten Malerei. Die Rückbindung an die Realität liegt allein im Auge des Betrachters.
Die Bleistiftzeichnungen von Rolf-Gunter Dienst bestehen wie die Gemälde aus einem Grundelement, dem Modul. Die ovalen oder nierenförmigen Gebilde, gefüllt mit regelmäßig angeordneten Punkten, überziehen die Bildfläche in einer All-over-Struktur. Die Wiederholung erschöpft sich nicht in einem einzelnen Blatt, sondern wird in den Zeichnungen quasi unendlich fortgeführt. Für Dienst sind sie „Modelle ausschnitthaft erfahrbarer organischer Pläne“. Bei einem Aufenthalt in Australien sah der Künstler während eines Fluges die dortige Landschaft von oben. Beeindruckt von diesem Ereignis, begann er mit seinen ersten zeichnerischen Arbeiten.
Seit den frühen 1960er Jahren bringt Rolf-Gunter Dienst sein Kürzel auf Leinwand und seit 1976 sein Modul auf Papier. In seiner Radikalität steht er konzeptuellen Künstlern wie On Kawara oder Roman Opalka nahe, deren Oeuvre sich ebenfalls zwischen Unendlichkeit und Endlichkeit bewegt. Das konsequente, fast manische Vorgehen der drei Künstler verweist auf die Diskrepanz zwischen Endlosigkeit und Zählbarkeit und vor allem deren Irrelevanz für die beschränkte menschliche Wahrnehmung. Der Lebenszyklus setzt dem künstlerischen Anspruch auf unendliche Fortschreibung des eigenen Konzeptes unweigerlich ein Ende – und natürlich einen Anfang. Der Unvollkommenheit des menschlichen Verstandes ist es zu verdanken, dass die Unvollkommenheit der Unendlichkeit als solche nicht erfassbar ist. So löst sich auch das Dienst’sche Kürzel in der Unendlichkeit auf, genauso wie im Kosmos der Farbe.
Tina Sauerländer
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.