Christiane Möbus - Rette sich wer kann - Installationsansicht, Galerie Volker Diehl, Berlin, 2020 © Marcus Schneider
Die Galerie Volker Diehl zeigt die Ausstellung "Rette sich wer kann" vom 29. Februar bis 15. Mai 2020.
Zwei Rettungsboote erfüllen den Raum der Galerie. Aufgebockt auf massigen Holzbohlen aber verdrängen sie hier kein Wasser, sind nicht in ihrem Element, sondern versperren den Raum, in dem im Normalfall die Betrachter vor den Werken der Kunst sinnierend frei flanieren. Aber hier ist kein Freiraum - schon gar nicht zum Flanieren - und auch das Rettende nicht. Denn jedes der beiden Boote, die qua Aufschrift Rettung versprechen für 10 Personen, ist voll. Und sie sind trockengelegt. Trocken wie die Heuballen, die sich aus dem Inneren der Boote in die Höhe des Raumes türmen. Zu Quadern gepresst und so in das praktikable Maß gebracht, das wir von Containern kennen, verdrängen auch die gestapelten Ballen Raum und versperren das Areal gänzlich. Und trotz des vertraut sommerlichen Geruchs, mit dem das Heu den Raum zusätzlich erfüllt, will hier keine Nestwärme entstehen. Das Fruchtbare ist dieser Ladung längst genommen. Hier ist kein Platz, kein Raum. Es waltet Enge und Bedrängnis und das Versprechen auf Rettung, es bleibt ein fahles Versprechen. Uneinlösbar. Das Boot ist voll.
Rette sich wer kann, nennt Christiane Möbus eine ihrer eindringlichsten Arbeiten. In der englischen Übersetzung wird rigider noch deutlich, was das bedeutet: every man for himself. Die noch hoffnungsgeladene Sehnsucht nach Rettung, wie sie im Kürzel SOS als save our souls noch anklingt, ist hier längst verklungen. „Frauen und Kinder zuerst“, wir kennen das vom symbolträchtigen Untergang der Titanic, Schall und Rauch in dem Moment, da die ethischen Systeme in sich zusammenfallen, in dem es allein gilt, das eigene Leben zu retten.
Carsten Ahrens