Seite wird geladen...
DE
|
EN
Ausstellung
CARMEN CALVO
A CAGE TO LIVE IN
DATUM 14. Jan. 2022 - 12. Mar. 2022 Ort DIEHL

Carmen Calvo - A Cage to Live In, Installationsansicht, Galerie Volker Diehl, Berlin, 2022 © Marcus Schneider

Die valencianische Künstlerin Carmen Calvo (Saenz de Tejada) wurde 1950 im falangistischen Spanien der Nachkriegszeit unter Franco geboren. Ihr späteres Leben ist ein Beweis dafür, dass man eine rebellische Natur, deren kreativer Geist und Denken offen und frei bleibt, nicht unterdrücken kann. Zu ihren frühen Erfahrungen gehörte das Interesse an der Terrakotta-Töpferei, in der sie als junge Frau in einem Handwerksbetrieb gearbeitet hatte. Nachdem sie zunächst Werbung und Grafik studiert hatte, studierte sie ab den späten 1960er Jahren an der Akademie der Schönen Künste in Valencia. Im Unterschied zur informellen El-Paso-Maltradition, die in den späten 1950er bis 1960er Jahren in Spanien vorherrschte, war ihre aufkommende Kunstpraxis stark von der Auseinandersetzung mit der materiellen Welt der Objekte und Ereignisse geprägt, wie sie sich in bestimmten Aspekten des späten Surrealismus, des Neo-Dada und des Nouveau Realisme widerspiegelt. Calvo wählte einen medienübergreifenden Ansatz, der Zeichnung, Fotografie, Collage, Fotomontage, Keramikfragmente und Bricolage umfasste - Anhäufungen von Desiderat-Installationen in der Umwelt - sowie gelegentliche Kunstinterventionen im öffentlichen Raum. Calvos Kunst ist oft Ausdruck einer hybriden Hassliebe zur Malerei, während sie gleichzeitig eine Simultanität und Synthese der Mittel und Materialien des Malers schafft. Die Künstlerin verfolgte in ihrem Werk von Anfang an eine individuelle und offene feministisch-konzeptionelle Richtung, was in Spanien zu Beginn ihrer Ausstellungen in den frühen 1970er Jahren als ungewöhnlich und radikal galt. Die vorherrschende Verwendung von gefundenen Materialien, Überresten und Rückständen bzw. Hinterlassenschaften, explizit die Dinghaftigkeit von Materialien, die sich in einen magischen Affekt verwandeln, kennzeichnet eine kontinuierliche Entwicklung im Werk der Künstlerin. Das Magische lässt sich am besten durch die Idee der alchemistischen Transmutation verstehen, wobei sich das Magische vom priesterlichen Magus (persisch magush") ableitet, einem Hersteller von Wundern, der verborgene Naturkräfte nutzt - und alternative Realitäten offenbart. Das Mahnmal wird auch in den Verweisen des Künstlers auf das Eschatologische deutlich, ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch einen Großteil der spanischen Kunst zieht. Calvos Verwendung von Haaren und Perücken, Kinderpuppen, Spielzeug und fetischartigen, fragmentierten Puppen sowie zahlreichen anderen fremden und nicht unmittelbar zuzuordnenden materiellen Objekten (die so genannte surreale "Zusammenführung entfernter Wirklichkeiten") setzt die Dinge in einen Zustand fraglichen Nebeneinanders. Das Gedenken ist auch ein archäologisches, ein Ausgraben von Dingen, denn die Künstlerin hat sich selbst oft als "Archäologin der Wahrnehmung" bezeichnet. Und es ist die Verbindung zwischen Erinnerung und archäologischem Denken, die den Inhalt der aktuellen Ausstellung A Cage to Live In bestimmt, die von einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 1997 über ein siebenjähriges Mädchen inspiriert wurde, welches zwei Wochen lang in einen Käfig gesperrt war. Dies wurde zur emotionalen Grundlage für eine große Installation der Künstlerin, die Zeichnungen, Objekte aus der Welt der Kinder (Puppen, Spielzeug u.a.) und verschiedene andere Materialien enthält, die in den Raum gepfercht sind, einen mehrdeutigen Raum, der sowohl Not als auch Wiedergutmachung darstellte - der nun leere Käfig platziert in der Mitte des Raumes.
 
Nach einem Stipendium in Paris (1985-92) befanden sich diese Anhäufungen in einem Zustand ständiger Entwicklung, ebenso wie die französische Hauptstadt eine längere Periode erlebte, in der der literarische, tagebuchartige Ansatz maximiert und kleinere Buchwerke produziert wurden. Eine Tendenz, die vielleicht in ihrer Installation auf der Biennale von Venedig 1997 zum Ausdruck kommt, wo sie, ausgewählt von dem Dichter Joan Brossa, die erste Frau war, die Spanien in diesem Pavillon vertrat, und die vielleicht ebenso aufschlussreich für die umfangreiche Serie Pan d'Oro ist, die 1998 folgte. Damit soll noch einmal Calvos Verwendung von Gedächtnisprotokollen aufgegriffen werden, während gleichzeitig die manchmal düstere Tendenz der Künstlerin zum umour noir betont wird. Der Einsatz der Parodie dient vielen Zwecken, nicht zuletzt dem des Widerspruchs, da die Kunst dieses Künstlers in vielerlei Hinsicht dazu neigt, die menschlichen Widersprüche und Heucheleien, die in der Welt im Spiel sind, zu meditieren und aufzudecken. Wir könnten den Begriff "Spiel" noch weiter betonen, da er sowohl die freudigen als auch die traurigen, ausdrucksstarken Qualitäten vereint, die in der kreativen Kunst der valencianischen Künstlerin Carmen Calvo zusammenkommen und kontinuierlich vorhanden sind.

 

- Übersetzt aus dem Englischen; Originaltext von Mark Gisbourne