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Ausstellung
CHRISTIAN MEGERT
WHITE TRANSPARENCY
DATUM 29. Nov. 2016 - 21. Jan. 2017 Ort DIEHL
CHRISTIAN MEGERT

Christian Megert - White Transparency, Installationsansicht, Galerie Volker Diehl, Berlin, 2016 © Marcus Schneider

Im Verlauf einer Lebensreise, gespannt vom Informellen zum Immateriellen, vom Haptischen bis hin zum Auralen und Optischen, haben die kreativen Kunstwerke des Schweizer Künstlers Christian Megert eine Vielzahl sensorischer Magistralen zu den phänomenalen Erfahrungen des Alltags gebahnt und auch hinterfragt.

 

Die aktuelle Ausstellung von Megerts Arbeiten legt den Schwerpunkt auf die psychische Immaterialität der "Weisse" sprich jener Nicht-Farbe, die innigst verknüpft ist mit dem Themenkomplex von Transparenz, Luminosität und Selbstbetrachtung. Megert, der vielfach mit einer von der Gruppe ZERO entlehnten Tendenz zum Semi-Minimalen arbeitet, vertieft hier die Fragen einer gewandelten Wahrnehmung und ihrer Fragmentierung. Während Megerts Neonlicht- Kästen aus den 1960er Jahren sich ganz speziell mit dem Thema Lichtobjekte und räumliche Tiefe auseinandersetzten und der Künstler Arbeiten schuf, welche dem Betrachter die eigene körperliche Position im [physischen] Raum vor dem Kunstwerk bewusst machten, transportieren die in der aktuellen Ausstellung gezeigten Arbeiten des Schweizers diesen Fragenkomplex weiter in die 1970er Jahre und von dort bis in unsere Tage. Auch bei diesen Arbeiten sind die Quellen der künstlerischen Materialsprache einmal mehr Holz, Spiegel und Plexiglas – aber die "Dinghaftigkeit" sowie der Objektstatus der Arbeiten und die darin angesprochenen sensorischen Pluralitäten sind reduzierter als in den 1960er Jahren. Der Betrachter sieht sich dabei zu einer intensiven Selbstbefragung herausgefordert – und diese Erfahrung gerät sowohl psychisch als auch selbstreflexiv.

 

Dass Megert sich für die Farbe Weiß [Weiss] entschied, entspringt den bei ZERO gemachten Erfahrungen, steigert sich aber zur Hinterfragung jener unsubstanziellen Ephemeralität, die im Zentrum der Wahrnehmung beim Akt des Erfahrens steht. Dies alles zeigt einen klaren Kontrast zu Megerts erster Verwendung des Konzepts der ["Weisse"] "Weiße", wie in den mittleren bis späten Fünfziger Jahren in seinen materialbasierten informel-Gemälden ausgelotet, wo sein Augenmerk primär der Oberflächentextur und haptischen Anmutung materialer Präsenz galt. Nachdem Megert seine künstlerische Arbeit im Feinteilfilter seiner engen Verbindung zur Gruppe ZERO (1957–66) gesichtet hatte, entschied er sich ab den 1970ern für ein offeneres Gefüge erweiterter Wahrnehmungserfahrungen.

 

Die in der aktuellen Ausstellung gezeigten Werke sind weniger auf das Thema Licht-Spiegel-Spiegelung ausgerichtet und sorgen sich weniger um den unmittelbaren Kern optischer Bewegungen und Fragen der Kinetik; diesmal geht es vielmehr um die Verknappung und Hinterfragung jener ganz entscheidenden Epoche, in der man die sog. Gültigkeit beziehungsweise Entmaterialisierung und Auflösung des Kunstobjekts 'ausleuchten' wollte (so erklärte man jedenfalls zu jener Zeit). Und doch war die Immaterialität der ZERO-Künstler nie etwas, das sie in abgehobene abstrakte Denkfiguren transferiert hätten. So sind auch Megerts Arbeiten nie ein konzeptuelles Durchexerzieren einer Ideenwelt, vielmehr phänomenologische Erweiterungen dessen, was Merleau-Ponty als das durchgängige Primat der Wahrnehmung bezeichnete. Kennzeichnend für die hier gezeigten unbetitelten Arbeiten Megerts ist das Durcharbeiten der experimentbasierten Prinzipien einer schöpferischen und erweiterten Wahrnehmung im Gegensatz zu den bloßen Pflichtübungen der Exekution von Denkkonzepten, wie man sie öfter bei anderen Formen der minimal art bzw. concrete art findet. Megert verdeutlicht heute einmal mehr seinen ganz eigenen Weg, der weder konzeptuell noch konkret zu nennen ist, er bietet dem Betrachter eine Reihe von Kunstwerken, die ein weiteres Mal die Parameter unserer so variablen Wahrnehmung erweitern.

 

'Die wahrgenommene Welt ist das immer schon unterstellte Fundament jeder Rationalität, aller Werte und jeglicher Existenz.'

Maurice Merleau-Ponty

 

©Mark Gisbourne