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Ausstellung
GONN MOSNY
ABOVE THE LINE – ATMEN UND MALEN
DATUM 14. Dec. 2013 - 17. Jan. 2014 Ort DiehlCUBE

Gonn Mony - Above The Line, Atmen und Malen, Installationsansicht, Diehl Cube, Berlin, 2013/14 © Marcus Schneider

‘ABOVE THE LINE’ GONN MOSNY – ATMEN UND MALEN
Curated by Mark Gisbourne

 

Mr Gainsborough presents his compliments to The Gentlemen appointed to hang the Pictures at the Royal Academy; and he begs leave to hint to Them, that if The Royal Family, which has been sent for this Exhibition are hung above the line along with full lengths, he never more, whilst he breaths, will send another Picture to the Exhibition—This he swears by God. 


Thomas Gainsborough (1727-88), Brief an das Hängungskomitee (1783)[1]

 

Die repräsentativen Absichten hinter dieser Ausstellung sind die der ästhetischen Geste und der historischen Provokation. Erstere wird durch die außergewöhnliche malerische Ausdruckskraft des deutschen Malers Gonn Mosny repräsentiert, und letztere durch den absichtlich provokanten Aufbau durch den Kurator der Ausstellung. Eine Hängung oberhalb der Linie (Above the Line, heute meist als St. Petersburger Hängung bezeichnet), war eine Herangehensweise, Wandarbeiten vom Boden bis zur Decke zur Darstellung zu bringen, die von nationalen Akademien und Salons im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert benutzt wurde. Es ist das Gegenteil der für das zwanzigste Jahrhundert mittlerweile normativen White Cube Hängung, einem Ansatz, der in den 1930er Jahren durch Alfred H. Barr am MOMA eingeführt wurde und weitgehend unverändert geblieben ist, was zeitgenössische Kunstinstallationen angeht. Above the Line ist eine grundlegende Herausforderung an die normativen und konventionellen Annahmen des modernistischen White Cube Ansatzes, was Präsentation und Aufbau angeht. Es suggeriert eine hybride Realität, dargestellt in einem modernistischen Raum, einem 7 x 7 x 7 Meter großen zeitgenössischen White Cube. Die Bilder werden in zwei Ebenen präsentiert, getrennt durch eine Linie in British Racing Green (Brunswick Green), die die Wand in eine obere und eine untere Wandfläche teilt.[2] Die Linie beschwört die polemischen und strittigen Punkte, die Präsentation und Ausstellungsaufbau von Kunstwerken heutzutage stets zur Folge haben.

 

* * *

 

Die Verwendung von Ausdruck, Geste, Zeichen, und besonders vom Zeitpunkt, dieses Zeichen zu setzen, sind nur einige grundlegende Aspekte in den Gemälden von Gonn Mosny (geb. 1930). Zur aktuellen Ausstellung ‘Above the Line’ Atmen und Malen gehören Teile der Serie außergewöhnlicher Gemälde, die er in relativ unbeobachteten und ruhigen anonymen Jahren in den 80ern und 90ern geschaffen hat, die er in der Provence verbrachte. Jedes Bild ist eine Akkumulation von differenzierenden Gesten und zeitlichen Aspekten, geprägt durch mehrere Perioden kontemplativer Auseinandersetzung mit Leinwand-oberflächen. Auf der großen, auf einer Wandbauplatte fixierten Leinwand hat der Künstler ein malerisches Palimpsest und/oder eine Vision, die intensiv ausdrucksstark und zugleich hochpoetisch ist, aufgetragen und ausradiert, hinzugefügt und entfernt, geschichtet und verflochten. Die Linie, das Zeichen, der Spritzer und seine Verschiebung, die erste Tat und der zweite Gedanke (Pentimenti), werden alle innerhalb dieser Gemälde deutlich. Sie sind weder rein abstrakt noch absichtlich figurativ, sondern eher aus dem Prozess folgende Erfahrungen, die einen persönlichen und einzigartigen Raum der Selbstentfaltung offenlegen. Während Anleihen bei Cy Twombly deutlich werden (die der Künstler Mosny nie leugnen würde), sind sie im Gegensatz zum amerikanischen Meister letzten Endes weniger grafisch und eher farblich geprägt. Einer der letzten lebenden Schüler von Willi Baumeister (1889-1955) an der Stuttgarter Akademie (1952-57), nachdem er zuvor Lithografie in Hamburg studierte, lehrte er später Malerei an der Hochschule Pforzheim als Professor und Direktor (1964-84). Zudem war er der Gründungsdirektor der Staatlichen Fachhochschule für Design.

 

Die mächtige Präsenz der Psycho-Physiologie in der Malerei — wörtlich als Atmen und Malen — der Werke von Gonn Mosny ist in gewisser Hinsicht seiner Faszination für die meditativen Prozesse der Introspektion geschuldet. Während jedes Gefühl ausgedrückt werden kann, stellt sich die Frage, was ist die Natur dessen, was geäußert wird, und welcher ist der geeignete Moment dies in einem gestischen Ausdruck wirklich werden zu lassen? Schließlich bleibt die Faszination mit Eugen Herrigels Zen in der Kunst des Bogenschießens (1948), das Mosny als Student der Malerei an der Kunstschule begegnete, ein lebensbegleitender Text, der vom Künstler kontinuierlich gelesen und wieder gelesen wird.

 

 „(…) der Bogenschütze ist nicht mehr seiner selbst bewusst, als stünde ihm die Aufgabe zu, die Scheibe vor ihm zu treffen. Dieser Zustand der Unbewusstheit wird aber nur erreicht, wenn er von seinem Selbst vollkommen frei und gelöst ist, wenn er eins ist mit der Vollkommenheit seiner technischen Geschicklichkeit. Dies ist etwas vollkommen anderes, als jeder Fortschritt, der in der Kunst [des Bogenschießens] erreicht werden könnte  (…)“

 

Mit einer Praxis und einem Ansatz, die sich als eine persönliche Erforschung von psychischen Gesten und Zeichen erweisen, und Spuren der Anwesenheit und/oder materiellen Überreste offenbaren, bekommen wir Einsicht in ein wertvolles Verständnis der einzigartigen Qualitäten in Mosnys Gemälden.  Von den Bildern als abstrakt oder figurativ sprechen zu wollen geht letztlich am Kern der Sache vorbei, da Zustände reinen Bewusstseins mit keiner der beiden Kategorisierungen vollständig beschrieben oder gefasst werden können. Klar ist, dass Abstraktion und Figuration aus den Parametern der phänomenologischen Erfahrung des Künstlers als sinnlicher Bruch des Stroms des absoluten Bewusstseins hervortreten. Von der emotionalen Erfahrung Mosnys Gemälde kann daher gesagt werden, dass sie sich in Relation zu einem immanenten Engagement mit dem Studio vollziehen, das seine sehr private Welt wurde und ist. Ein solches Engagement ist eine Konfrontation mit dem Machen der Malerei, und ist dementsprechend von Gilles Deleuze in Bezug auf Kunst und Literatur beschrieben worden: “…das ist ein LEBEN und sonst nichts…das ist es in dem Maß, in dem es über die Aporien eines Subjekts und Objekts hinausgeht…es ist ein absolut unmittelbares Bewusstsein, dessen Aktivität selbst sich nicht mehr auf ein Wesen bezieht, sondern unablässig im Leben steht.” (‘Pure Immanence’, Pure Immanence: Essays on a Life, 2001, p. 27; eigene Übersetzung der englischen Fassung) Daher prägt diese introspektive und kreative Herangehensweise an Malerei fast jeden Aspekt, der Gonn Mosnys Entwicklung betrifft und sich in seinen Gemälden niederschlägt. Den Zeichnungen des Künstlers wohnt ebenso eine phantasievolle dialektische Konfrontation zwischen Zeichen und Geste inne, worin (angesichts der im Zeichnen implizierten Linearität) der Gebrauch der Linie mit den Zeichen von Maskierung und Auslöschung wetteifert, ihr Vorhandensein legt Spuren offen, und die Zeichen bilden ihr eigenes internes und einmaliges Bildvokabular. Die gewissenhafte Verwendung von Materialien und das gewaltige Verständnis, das der Künstler ihnen entgegenbringt, sind auch Bestandteil dieses Vokabulars. Sie sind die notwendige Voraussetzung für die informelle Freiheit, die seine Gemälde und Zeichenarbeit besitzen. In dieser Hinsicht spiegeln sie wahrhaft wieder, dass…er eins wird mit der Vollkommenheit seiner technischen Geschicklichkeit.…

 

 Mark Gisbourne, Kurator                                                                              29. November, 2013

 

 

[1]   Mr Gainsborough unterbreitet den Herren, die mit der Hängung der Bilder an der Royal Academy betraut sind, seine Empfehlungen; und fleht darum, ihnen zukommen zu lassen, dass er, falls die Royal Family, die für diese Ausstellung übersandt worden ist, über der Linie neben Vollformaten gehängt werde, er nie mehr, solange er atmet, ein weiteres Bild an die Ausstellung übersenden werde – so schwöre er bei Gott. Siehe David H. Solkin (Hrsg.), Art on the Line: The Royal Academy Exhibitions at Somerset House 1780-1836, Newhaven and London, Yale University Press, 2001

[2]   Sie wurde nach der deutschen Stadt Braunschweig (Brunswick) benannt, wo sie zuerst hergestellt wurde (1764). Unter dem Namen British Racing Green wurde sie zur Farbe Großbritanniens im internationalen Motorsport.